Wissenschaftliche Begleitung

Die wissenschaftliche Begleitung des Round Table erfolgt seit Mai 2008 durch das Institut für Konfliktmanagement an der Europa-Universität Viadrina. Prof. Dr. Lars Kirchhoff, Prof. Dr. Ulla Gläßer, LL.M., Dr. Felix Wendenburg und ihre Mitarbeiter erarbeiten dabei u.a. praxisorientierte Formate für wissenschaftliche Hintergrundanalysen und Begleitstudien.

Über einen Zeitraum von zehn Jahren, von 2005 bis 2015, haben die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Frankfurt am Main die Entwicklungsprozesse im Konfliktmanagement deutscher Unternehmen begleitet. Die im Herbst 2016 vorgelegte fünfte Studie schließt dieses langfristige Forschungsvorhaben ab.

Alle fünf Studien stehen Ihnen an dieser Stelle zum Download zur Verfügung:

Studie Commercial Dispute Resolution 2005

Folgestudie Commercial Dispute Resolution 2007

Studie Konfliktmanagement – Von den Elementen zum System 2011

Studie Konfliktmanagement 2013 – Konfliktmanagement als Instrument werteorientierter Unternehmensführung

Studie Konfliktmanagement in der Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts 2016


Die Kernergebnisse der Studien:

Der Befund der Diskrepanz (2005): Unternehmen tun nicht, was sie wollen, und wollen nicht, was sie tun

Studie 1 sollte zunächst die Frage beantworten, welche Verfahren Unternehmen zur Bearbeitung ihrer Konflikte mit anderen Unternehmen einsetzen und welche Einstellungen sie zu diesen Verfahren haben. Die 2005 befragten Unternehmen setzten zur Beilegung von Konflikten regelmäßig zunächst auf Verhandlungen. Scheiterten diese, zogen sie vor Gericht. Andere Verfahrensalternativen waren zwar keineswegs unbekannt, kamen jedoch vergleichsweise selten zum Einsatz. Insbesondere Mediation und Schlichtung wurden kaum genutzt.

Ein nahezu gegenteiliges Bild ergab die Abfrage der Einschätzung spezifischer Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren: Verhandlungen wurden mit Abstand am besten beurteilt, gefolgt von Mediation und Schlichtung. Demgegenüber stuften die Unternehmen das Gerichtsverfahren als am wenigsten vorteilhaft ein.

Praktische Relevanz: Der Befund einer derart signifikanten Diskrepanz zwischen Wollen und Tun war für das Wissenschaftlerteam der Europa-Universität Viadrina Anlass, Motivation und Legitimation für die Durchführung der nachfolgenden Studien und diente als Leitmotiv der praxisbegleitenden Aktivitäten. Denn wo ein Wollen derart deutlich nachzuweisen ist, scheitert das Tun oft am Können; an diesem Punkt kann und sollte handlungsorientierte Wissenschaft ihren Beitrag leisten.

Die Notwendigkeit präventiv-struktureller anstelle kurativ-punktueller Maßnahmen (2007)

Die in Studie 1 festgestellte Diskrepanz zwischen Bewertung und Nutzung der Verfahren legte nahe, die Gründe für dieses Phänomen näher zu untersuchen. Eine qualitative Folgestudie erforschte daher die Gründe und identifizierte unzureichende Kenntnisse über ADR-Verfahren und den Mangel an praktischen Beispielen als signifikante „Theorie- und Praxislücke“. Ferner stellte sich heraus, dass der Umgang mit Konflikten in vielen Unternehmen zwar „Konfliktmanagement“ genannt wurde, aber häufig grundlegenden Managementprinzipien nicht entsprach. Ein Kernergebnis dieser Untersuchung war, dass es deutlich schwieriger ist, die Bearbeitung eines bereits manifesten Konflikts in konsensuale Bahnen zu lenken, als eine solche Weichenstellung bereits vorab strukturell anzulegen.

Praktische Relevanz: Diese Erkenntnis erwies sich als weichenstellend sowohl für die Existenz als auch die konkreten Regelwerke der Konfliktmanagement-Programme zahlreicher Unternehmen: In Vertragswerke, Verfahrensautomatismen und Selbstverpflichtungen zu investieren ist bei Weitem effizienter, als die punktuelle Überzeugungsarbeit gegenüber Konfliktparteien zu intensivieren, wenn Konflikte erst einmal entstanden sind. Signifikante Verhaltensveränderung geschieht strukturell, nicht punktuell.

Das Komponentenmodell als Rahmen erfolgreicher Etablierung von Konfliktmanagement (2011)

Das in Studie 2 festgestellte Fehlen geeigneter Managementstrukturen führte zu der Frage, wie Konfliktmanagement organisatorisch ausgestaltet werden könnte. Wenn man die Vielfalt der in der Unternehmenslandschaft beobachtbaren einzelnen Konfliktmanagement-Elemente funktionsorientiert kategorisiert, ergibt sich eine überschaubare Zahl von Komponenten. Diese Komponenten lassen sich zu einem übersichtlichen Modell eines vollständigen KMS zusammenfügen. Das Modell hat den grundsätzlichen Anspruch, auf alle Bereiche von Unternehmen und anderen Organisationen unabhängig von ihrer Größe anwendbar zu sein.

Abbildung: Viadrina-Komponentenmodell eines Konfliktmanagement-Systems

Praktische Relevanz: Das abgebildete EUV-Komponentenmodell eines KMS diente in zahlreichen Unternehmen, aber auch anderen Organisationen wie dem Auswärtigen Amt als Anregung und Referenz für die Gestaltung der jeweiligen Konfliktmanagement-Programme. Gerade dadurch konnten zahlreiche Daten und Erfahrungswerte aus der Praxis in die in der fünften Studie dokumentierte Langzeituntersuchung einfließen, was unter anderem eine leichte Überarbeitung des ursprünglichen Komponentenmodells zur Folge hatte.

Professionalisierung von Konfliktmanagement:
die Management- und die Kostenperspektive (2013)

Für das in Studie 3 entwickelte Konzept eines Konfliktmanagement-Systems wurden in Studie 4 aus verschiedenen Perspektiven Professionalisierungsfelder aufgezeigt und diese mit Blick auf eine werteorientierte Unternehmensführung zusammengeführt.

Das Konfliktmanagement zu professionalisieren bedeutet, das Managementverständnis zu erweitern: Konfliktmanagement ist auch als Steuerung konfliktinduzierter Risiken (und Chancen) zu begreifen. Grundsätzlich ist Konfliktmanagement eine Führungsaufgabe, die sich in Führungskompetenzen abbilden muss.

Ein zweiter Schwerpunkt der Studie lag auf der Kostenperspektive. Wenngleich in der Vergangenheit eine Reihe von Modellansätzen zur Messung von Konfliktkosten oder der Ermittlung des mit Konflikten verbundenen Schadenspotenzials erarbeitet wurden, besteht die aus Sicht des Viadrina-Wissenschaftlerteams einzige wissenschaftlich valide Aussage zum Thema Konfliktkosten darin, dass sie beträchtlich sind und durch gut konzipierte Konfliktmanagement-Programme massiv verringert werden können. Alles Weitere ist im Bereich der quantitativen Unschärfe zu verorten. Allerdings können in diese Unschärfe gewisse Konturen gebracht werden, indem man Konfliktkosten nach Sichtbarkeit, Quantifizierbarkeit und Eindeutigkeit der Zuordnung unterscheidet.

Praktische Relevanz: Die Erkenntnisse wirkten sich direkt auf die Erstellungdes viel zitierten und unternehmensintern häufig eingeforderten „Business Case Konfliktmanagement“ aus. Für die Formulierung eines solchen Business Case gibt es zwei Optionen: Entweder man hält sich an griffige, aber eben scheinpräzise Aussagen, nach denen 10 %, 20 % oder auch 30 % der Personalkosten eingespart werden können. Oder man setzt auf den differenzierten analytischen Verstand der Personen, die Finanzentscheidungen treffen, und präsentiert statt der fast immer gewünschten absoluten Zahl (oder wenigstens Prozentzahl) eine Reihe von Belegen für die beträchtlichen Einsparpotenziale samt der handfesten Gründe, warum diese nicht valide bezifferbar sind. Die Studienserie geht den zweiten Weg.

Evolution statt Revolution: Die Abschluss-Studie 2016

Die abschließende fünfte Studie kommt auf den quantitativ-empirischen Ansatz der Ausgangsstudie von 2005 zurück, um tatsächliche Veränderungen in der Verfahrensnutzung und -bewertung deutscher Unternehmen messen zu können. Zudem sondiert sie die Entwicklungstrends und -richtungen und verortet damit die Ansatzpunkte für künftige Veränderungen.

Für die Befragung wurde auf ein repräsentatives Panel von Unternehmen ab 50 Mitarbeitern aller Branchen (Handel, Dienstleistung, Industrie/Gewerbe) zugegriffen, bis 150 Antworten generiert waren. Hinzu kamen 32 Antworten von Mitgliedern oder Teilnehmern des RTMKM, denen der Zugriff zur Online-Befragung gesondert ermöglicht wurde.

Im Kern lassen sich aus der Befragung eine Reihe von Erkenntnissen ziehen:

  • Verhandlung ist nach wie vor das führende Konfliktbearbeitungsverfahren; Mediation und Schlichtung sowie auch das Schiedsgutachten werden inzwischen aber deutlich häufiger eingesetzt.
  • Konflikte am Arbeitsplatz werden vor allem durch Führungsentscheidungen, Verhandlungen und interne, informelle Vermittlungsgespräche gelöst.
  • Die Einführung von KM-Strukturen verändert das eigene Konfliktverhalten von Führungskräften und erhöht die Bereitschaft, im Konfliktfall auch die Unterstützung durch Dritte anzufragen.
  • Trotz aller Entwicklungen werden Bemühungen um einen konstruktiveren Umgang mit Konflikten immer noch in fast allen Unternehmen strukturell erschwert und ausgebremst.
  • Praktische Relevanz: Auf Basis der Datenauswertung lassen sich drei zentrale Themen der Zukunft identifizieren: Erstens die immer größer werdende Bedeutung von professionellem Konfliktmanagement für ein zeitgemäßes Führungsverständnis. Zweitens die stark wachsende Aufmerksamkeit deutscher Unternehmen für das Feld der Verhandlungsführung. Und drittens das Interesse der Befragten, in möglichst umfassende Ansätze zur Konfliktprävention zu investieren.

Informationen zu der seit 2005 laufenden und im Jahr 2016 abgeschlossenen Tagungsreihe „Konfliktmanagement im Unternehmenskontext“ der Bucerius Law School/Europa-Universität Viadrina in Zusammenarbeit mit Hogan Lovells, PwC, Siemens, SAP und E.ON erhalten Sie hier:

Tagungsbericht Konfliktmanagement II

Tagungsbericht Konfliktmanagement III

Tagungsbericht Konfliktmanagement IV

Tagungsbericht Konfliktmanagement V

Anfang 2014 ist der zweite Band der Schriftenreihe „Interdisziplinäre Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ im Nomos-Verlag erschienen, der unter dem Titel „Ansätze, Modelle und Systeme von Konfliktmanagement in der Wirtschaft“ unterschiedliche Formen des Konfliktmanagements in der Wirtschaft darstellen und sie einer kritischen Reflexion unterziehen wird. Zur Perspektivenvielfalt des Bandes tragen zahlreiche Beiträge von Mitgliedern des Round Table bei.